Im Rahmen eines Rechtsstreits zur Parteienfinanzierung von kleineren Parteien, der vom Verfassungsgericht zu Gunsten der Kleinparteien entschieden worden ist, gab es eine interessante Erläuterung der Verfassungsrichter, die wir an dieser Stelle gerne auszugsweise zitieren möchten:
…“(aa) Die grundgesetzliche Demokratie ist nach der verfassungspolitischen Entscheidung des Verfassungsgebers als Mehrparteiendemokratie angelegt. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG bestimmt, dass die Parteien bei der politischen Willensbildung mitwirken. Erst die in Art. 21 Abs. 1 Satz 2 GG niedergelegte Gründungsfreiheit und der freie Wettbewerb der Parteien machen Demokratie letztlich möglich (vgl. BVerfGE 85, 264 <285>; 91, 276 <286>). Bei Wahlen und Abstimmungen sowie bei der Vermittlung und Formung des politischen Willens des Volkes sollen die Parteien Träger des von der demokratischen Ordnung des Grundgesetzes intendierten freien und offenen politischen Prozesses sein. Die Verfassung geht hierbei von der Unterschiedlichkeit der individuellen und gesellschaftlichen Meinungen, Interessen und Bedürfnisse aus. Sie gewährleistet die Freiheit der Organisation in miteinander konkurrierenden politischen Vereinigungen. Diese Offenheit des politischen Prozesses hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung wiederholt als einen zentralen Grundsatz der Demokratie betont und gestärkt (vgl. BVerfGE 14, 121 <133>; 73, 40 <86>m.w.N.; 85, 264 <288, 293>; 91, 276 <285 f.>). Sie ist durch die Möglichkeit gekennzeichnet, jederzeit neue Parteien zu gründen, um neuen politischen Vorstellungen die Chance zu eröffnen, im Prozess der politischen Willensbildung des Volkes wirksam zu werden. Die von Art. 20 GG gebotene Offenheit des demokratischen Prozesses beugt auch einer Erstarrung des Parteiwesens vor (vgl. BVerfGE 91, 276 <286>). Damit sich der in der Verfassung angelegte politische Wettbewerb tatsächlich einstellen kann, bedarf es chancengleicher Bedingungen, vor allem eines für alle offenen Zugangs zum „politischen Markt“. (bb) Auch kleine Parteien sind für den politischen Prozess und die politische Landschaft von Bedeutung. Das institutionalisierte politische System, das auf politische Parteien und effektiven Wettbewerb zwischen ihnen setzt, braucht die Mitwirkung neuer Konkurrenten, aber 19/26 85 86 87 88 89 90 auch der bestehenden kleinen Parteien. Der Wettbewerb zwischen den Parteien kann auf Dauer nur wirken, wenn er nicht auf die Konkurrenz zwischen den bereits existierenden und erfolgreichen beschränkt bleibt, sondern durch das Hinzutreten neuer Wettbewerber und die anhaltende Herausforderung durch die kleinen Parteien erweitert, intensiviert und gefördert wird. Kleine Parteien können die Lernfähigkeit des politischen Systems eher stärken, wenn sie eine realistische Chance haben, selbst politische Erfolge zu erzielen. Für das Mehrparteiensystem politisch bedeutsam und für den Wettbewerb förderlich erweisen sich vor allem auch die Resonanzen bei den Parlamentsparteien, die im Hinblick auf Wahlerfolge der kleinen Konkurrenten häufig gezwungen werden, sich mit den von diesen Parteien in den Mittelpunkt gestellten Themen auseinanderzusetzen. Aber auch schon die potentielle Konkurrenz, also die Chance neuer und kleiner Wettbewerber, für überzeugende Lösungskonzepte bei Wahlen belohnt zu werden, zwingt die etablierten Parteien zu einer Rückkopplung mit dem Volk, um dem Aufkommen neuer Konkurrenten und einem Erfolg kleiner Wettbewerber nach Möglichkeit entgegenzutreten.“
BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2004 – 2 BvE 1/02 -, Rn. 1-114,